Auswanderungen
Aus der Schweiz auswandern
Ist von Auswanderung die Rede, denken wir sogleich an Überseereisen, an
ferne Länder und andere Kontinente. Eine weniger spektakuläre, aber
wesentlich ältere Auswanderungsform muss aber zuerst vorgestellt werden:
die saisonale Auswanderung. In manchen Regionen entsprach es einer
durchaus normalen Notwendigkeit, dass die lokale, oft ungenügende
Existenzbasis durch auswärtige Erwerbstätigkeiten verstärkt wurde. Die
Saisonwanderung war im Tessin besonders ausgeprägt. Was im Winter zu
Strohwaren verarbeitet wurde, brachten die Männer in der warmen
Jahreszeit auf die norditalienischen Märkte. Die Maurer und Gipser des
Sottoceneri waren ebenfalls vor allem im Sommer als Saisonniers in
Italien tätig. Im Sopraceneri dagegen verliessen die Männer eher im
Winter die Täler und suchten Arbeit in Italien als Kaminfeger und
Ofenbauer, aber auch als Packträger. Die bekanntere Form der
Auswanderung ist die definitive Übersiedlung in ein anderes Land. Etwa
die Hälfte der schweizerischen Auswanderer liess sich in den
Nachbarländern nieder. Diese wenig spektakuläre Tatsache wird neben der
Aufsehen erregenden Auswanderung nach Übersee leicht übersehen. Die
kontinentale Auswanderung wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts
allerdings teilweise verdrängt durch die aufkommende Massenauswanderung
insbesondere nach Amerika. Dieses Novum in der schon lange bestehenden
Auswanderungstradition der Schweiz entsprach aber einem allgemeinen,
gesamteuropäischen Vorgang.
Auswandern aus wirtschaftlicher Not
In der Schweiz waren die alpinen Regionen von der Auswanderung besonders
stark betroffen: das Tessin, Graubünden, Glarus, das Berner Oberland und
das obere Wallis.Die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser Gebiete war so
schwach, beziehungsweise die Belastung durch das Bevölkerungswachstum so
stark, dass die bescheidene Existenzbasis beim Auftreten von Missernten,
Überschwemmungen und anderen Katastrophen leicht zerstört wurde. Die
aufkommende Industrie konzentrierte sich auf wenige Regionen und war
noch nicht genug entwickelt, um die «überschüssige» Landbevölkerung und
die Heimarbeiter aufzunehmen
Gemeinden, die durch die Armen, beziehungsweise die Armenunterstützung
besonders belastet waren, ermunterten ihre Unterstützungsbedürftigen zur
Auswanderung.
In den 1850er Jahren wurden in der Schweiz die ersten
Auswanderungsagenturen gegründet. 1882 gab es deren 9 - davon 6 allein
in Basel und je eine in Aarau, Bern und Genf. 1885 beschäftigten sie -
oft bloss in Nebenfunktion - insgesamt 359 Agenten.
Bündner Auswanderer
Zu welcher Zeit zum erstenmal Bündner ihre Heimat verliessen, um in
einem fernen Land ihr Glück zu suchen, kann man nicht genau feststellen.
Interessant ist, dass die Auswanderung nach den heutigen Vereinigten
Staaten von Amerika sehr unregelmässig verlief. Höhepunkte der
Emigration waren die Jahre 1844, 1846, die fünfziger Jahre und die
frühen siebziger Jahre. Dazwischen, in den sechziger Jahren, und später,
ab den achziger Jahren, gingen nur vereinzelte Personen nach Übersee.
Reiseverträge und Unterlagen /
Bündner im Russischen Reich